9punkt - Die Debattenrundschau
Jetzt ändert sich alles
Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
Politik
Gesellschaft
Europa
Im Tagesspiegel fordern die beiden Frankreich-Expertinnen Claire Demesmay und Christine Pütz von Berlin wieder mehr europäisches Engagement. Besonders ungehalten macht sie die kleinkarierte, permanente Krittelei an Emmanuel Macron, die jede Initiative des französischen Präsidenten im Sande verlaufen lässt: "Statt sich an vermeintlichen Chefposen des französischen Partners abzuarbeiten, sollte Deutschland selbst wieder eine aktive Europapolitik betreiben. Man muss nicht alles mögen, was europapolitisch aus Paris kommt, doch darf die Bundesregierung Initiativen aus Paris nicht weiter unambitioniert aussitzen und hoffen, dass sie sich totlaufen. Berlin sollte endlich reagieren und bei Bedarf Alternativkonzepte anbieten - Zuviel steht auf dem Spiel."
Ideen
Internet
(Via Turi2) Tagesschau.de meldet, dass PayPal aus Facebooks Plänen für die Kryptowährung Libra aussteigt, Mastercard und Visa nehmen auch schon wieder Abstand.
Religion
Geschichte
In der taz greift Andreas Fanizadeh die Arbeit der Historiker Karina Urbach und John Röhl auf, die dem abgesetzten Kaiser Wilhelm II. einen vernichtenden Antisemitismus nachweisen konnte und seinen Sprösslingen die Anbiederung an die Nazis. 1934 erschien zum Beispiel in der dänischen Zeitschrift Berlingske illustreret Tidende eine Fotostrecke mit Kronprinz Wilhelm in SA-Uniform: "Wie der heutige Hohenzollern-Chef Friedrich von Preußen bei der historischen Faktenlage erklären will, warum ihm ein Platz auf dem Familiensofa in Schloss Cecilienhof zustünde, wird demnächst auch den deutschen Bundestag beschäftigen. Die Grünen-Bundestagsfraktion fordert in einem am 25. 9. eingebrachten Antrag die Offenlegung der bislang geheim geführten Gespräche mit den Hohenzollern. Das Parlament soll in die von Staatsministerin Monika Grütters geleiteten Verhandlungen über mögliche Restitutionen eingebunden sein."
In der taz erinnert sich auch der Reporter Thomas Gerlach an das Ende der DDR, deren Niedergang nach dem vierzigsten Jahrestag am 7. Oktober 1989 unaufhaltsam wurde. Zwei Tage später war es so weit: "Die Staatsmacht, die bis in die letzten Minuten ihre Allmacht demonstrierte, hatte sich zurückgezogen. Es hatte etwas Unwirkliches, Feierliches. Die Straße gehörte uns. Und nicht nur die Straße, die ganze Stadt. Das Land. Die Straßenbahnen, völlig unschuldig, ragten wie gestrandete Schiffe aus dem Menschenmeer. 70.000 sollen es gewesen sein. Vielleicht auch 100.000 oder mehr. Wer konnte das ermessen? Und über allem lag die bedächtige Stimme von Kurt Masur. Der Stadtfunk - Hunderte Lautsprecher, die über den Ring verteilt waren - übertrug den Aufruf in Endlosschleife. Wir ließen uns treiben. Irgendwann gingen wir zu den Rädern zurück. Mikes Frau sollte nicht im Ungewissen bleiben. Die beiden hatten einen Sohn. Wir kauften einen Rucksack Bier und fuhren heim. In einer Seitenstraße sahen wir Lkws. Polizisten standen herum. 'Jungs, geht nach Hause', ruft Mike wie ein Prophet. 'Jetzt ändert sich alles. Auch euer Leben.'"